Christlicher Verein Junger Menschen (CVJM) Rüggeberg e.V.

Im Gespräch mit Judy Bailey

Grafik Judy Bailey

Judy Bailey ist heute die erfolgreichste Künstlerin der christlichen Pop-Musik, und, vielleicht noch viel wichtiger, sicher auch die beliebteste. Sie kann auf Konzerte in über 30 Ländern auf allen Kontinenten zurückblicken, arbeitete mit bekannten Musikgrößen wie Eddy Grant, Jimmy Kelly, Dieter Falk zusammen, trat international auf vielen Großveranstaltungen wie den Weltjugendtagen in Sydney, Rio de Janeiro, Krakau und Panama auf und war hier bei ProChrist, JesusHouse und den Christivals. Ihr Song „Spirit of Freedom“ erschien auch auf „Listen Up! The Official 2010 FIFA World Cup Album“. 
Sieht man Judy, die heute mit ihrem Mann Patrick Depuhl und ihrer Familie in Alpen am Niederrhein lebt, auf einem ihrer nach wie vor sehr zahlreichen Konzerte, ist von dem Star-Nimbus einer Weltkünstlerin nichts zu spüren. Da ist sie eine angenehm bescheidene, nahbare Person, die immer den Kontakt zum Publikum sucht. Judy möchte ihren Zuhörern viel von ihrer persönlichen Erfahrung, ihrer Welt- und Glaubenssicht mitgeben. Und das Publikum sieht sie als gute Freundin, der man vertraut und die man rundum mag. Wer nach dem Ende einer Veranstaltung noch ein bisschen bleibt, findet sie oft vertieft in Gesprächen mit Besucherinnen und Besuchern. Ihr frohes Lachen und ihre positive Ausstrahlung sind ansteckend und ermutigend, ihr unermüdlicher Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit ist gerade in diesen Zeiten so wichtig.  
Seit rund 35 Jahren tritt die auf Barbados aufgewachsene Sängerin, die in London Psychologie studiert hat, in Deutschland auf. Eines ihrer ersten Konzerte gab sie auf der Nebenbühne der Christmas Rock Night, sie spielte in den frühen Tagen auch beim „Rock in den Mai“ mit den Electrics im CVJM Gevelsberg, war mit ihrer Band beim Scheunenfest bei uns in Rüggeberg und ließ es sich nehmen, 2023 beim ersten „One More Song“ ein Lied zusammen mit der Reggae-Band Heaven Bound im Haus Ennepetal zu singen.

Dein Weg in der christlichen Musikszene ist sehr beeindruckend. Was waren die Bausteine für deinen Erfolg?

Judy: „Bausteine zum Erfolg“ hört sich wahrscheinlich mehr konstruiert an, als ich es empfinde. Es ist mehr wie ein langer Weg mit tausenden kleinen Schritten. Gerade wenn man über so viele Jahrzehnte wie wir unterwegs sein darf, gibt es auf der Reise viele Überraschungen, viel Neues, vieles, was sich entwickelt. Jedes Lied, jeder Auftritt, jedes Konzert und natürlich jedes Album ist ein Schritt auf dem Weg. Es geht dabei, glaube ich, nicht nur um Highlights, sondern um den Alltag, das Normale. Ich glaube eine Stärke von uns ist es immer, an dem einen Tag, an dem einen Konzert, für die Menschen vor Ort ganz da zu sein. Mit so viel Liebe und so echt, wie wir das gerade können.

Natürlich gab und gibt es Menschen, die immer schon Ideen hatten, wie wir das anders und besser machen sollten. Aber ich muss meinen Weg gehen, das kann mir niemand abnehmen. Und tatsächlich sind jetzt plötzlich 35 Jahre seit meinem ersten Album ins Land gezogen…

Das Besondere ist, dass wir auf der Reise viele Menschen kennen lernen konnten, in einer Vielfalt unterschiedlicher Kirchen, von Christivals und Hoffnungsfestivals, über Katholikentagen bis zu Kirchentagen, also einer wirklich großen Bandbreite von Glaubenden in Deutschland, aber auch in über 30 weiteren Ländern. Und dann treffen wir darüber hinaus auch Menschen aus Gesellschaft und Politik. Wir haben für den Papst und für Präsidentinnen gespielt, aber eben auch für Obdachlose, Gefangene oder immer wieder für und mit Geflüchteten gesungen. Und wenn man offen für die Menschen ist, hört und erlebt man viel. Statt nur eine Show zu geben, entstehen so auch immer wieder neue Ideen und Lieder und Geschichten, die nachhallen. Nichts berührt so wie das echte Leben.

Wie gesagt „Bausteine und Haus“ sind nicht ganz unser Bild. Ein „Baum“ fühlt sich passender an, ein Baum, der wächst und Wurzeln schlägt und auch mal einen Ast und immer wieder Blätter verliert, aber weil er lebendig ist auch immer wieder einen Frühling erlebt.

Ihr habt auch Konzerte an sehr ungewöhnlichen Orten gespielt. Welches war der verrückteste dieser Auftritte? 

Judy: Tatsächlich haben und hatten wir immer wieder Konzerte an ungewöhnlichen Orten. Manchmal kamen Veranstalter mit tollen Ideen und wir mit Offenheit. So haben wir schon in einer fahrenden Straßenbahn ein kleines Konzert gegeben. Oder wir haben im Gasometer in Oberhausen mit unserer Band einen Fernsehgottesdienst gefeiert. Ganz gezielt haben wir auch auf unserer Traveling Tour Veranstaltende eingeladen, kreativ zu werden und Orte zu finden, an den Menschen sind, aber an denen nicht unbedingt Konzerte stattfinden. In der Vielfalt war es wirklich wunderbar: Wir waren mitten in einem Supermarkt: Gemüse raus, Band rein! Oder in der Osternacht im Berliner Hauptbahnhof und auch im Flughafen Frankfurt. Wir haben gesungen in einem Kinderhospiz, einem Kindergarten mit ganz kleinen Stühlen, einem Fastfood-Restaurant und einer Friedhofskapelle. Oder auf der Hebebühne einer Autowerkstatt und in einer Besteckmanufaktur zwischen den Maschinen. – Auf dem anderen Ende der Skala standen wir auf Bühnen im Rahmen von Weltjugendtagen an der Copacabana in Rio de Janeiro vor einem Millionenpublikum oder in Sydney auf einer Pferderennbahn vor dem Nachtgebet des Papstes, das ist einfach einmalig und unglaublich.

Die Form, wie wir Musik machen, ist eigentlich von Anfang an in Bewegung. Am Anfang kam ich mit Gitarre, alleine, meist bei Veranstaltungen für Jugendliche. Dann langsam konnte ich für viele Auftritte eine Band dazu holen und die Musik wurde variabler und größer. Vor etwa 20 Jahren begannen wir dann parallel zu allem auch mit Konzert-Lesungen, also einem Dialog von Songs und Geschichten. Aktuell ist vielleicht jeder zweite Auftritt ein Duo mit Patrick und mit Geschichten. Aber tatsächlich gibt es darüber hinaus immer noch viele Events oder Feste und auch Konzerte mit Band. Wir lieben diese Vielfalt und hatten in diesem Jahr etwas mehr als einhundert dieser ganz unterschiedlichen Auftritte. 

Seit diesem Frühjahr gibt es ein neues Album von dir: „Fill me up with Sunshine“. Du schreibst dazu auf deiner Webseite: „Ein Album, gerade in diesen Zeiten, das eine Hoffnungsansage, ein Strahlen, ein beherztes Trotzen ist!“ – Was ist das „beherzte Trotzen“?

Judy: „Fill me up with Sunshine“ ist unser aktuelles und siebzehntes Album. Es hat tatsächlich auch 17 Songs. Dabei gibt es sowohl das „Halleluja“ für den Morgen, Loblieder, um durch die Küche zu tanzen, als auch ein Stück wie „Save me“, das wir für eine Beerdigung im Dorf geschrieben haben. Wir wollten Lieder für die Sonnentage schreiben, aber eben auch die Tage, an denen die Sonne fehlt, wo das kurze Gebet ist: „Bitte schenk mir Licht!“ Wer die Welt in diesen Tagen im Großen und im Kleinen erlebt, weiß um das Schwere und den Schmerz. Aber dem wollen wir keine Bitterkeit und keinen Groll entgegensetzen, nicht Hass mit Hass erwidern, uns nicht zurückziehen in eine Parallelwelt – sondern mit Mut und Herz, als „wir“ uns stark machen für Frieden, voller Glauben, aber nicht blauäugig. Ich glaube, das ist das „beherzte Trotzen“. 

Viele eurer Auftritte heute sind Konzertlesungen mit einigen akustischen Songs zu „Das Leben ist nicht schwarz-weiss: Geschichten von Wurzeln, Welt & Heimat“. Was hat Patrick und dich dazu inspiriert, 2021 dieses tolle und unbedingt lesenswerte Buch zu schreiben und auch zu vertonen?

Judy: „Das Leben ist nicht schwarz-weiß“ entstand tatsächlich zuerst als Konzertlesung. Wir wollten sehr persönlich erlebte Geschichten erzählen, aus der Tiefe, auch mit viel Verletzlichkeit und Schmerz, weil jeder Mensch das kennt. Und gleichzeitig auch voller Hoffnung und Glauben. Überwindungsgeschichten. Trotzdem-Songs. Daraus wurde dann auch ein Doppelalbum von über zwei Stunden Länge. Bei der ersten öffentlichen Konzert-Lesung kam eine Frau aus dem Verlag und war, nachdem sie alles aufgesogen hatte, erst mal ein paar Tage sprachlos, schrieb uns dann aber an und sagte, wir müssen daraus ein Buch machen. In der Corona-Zeit haben wir uns dafür Zeit genommen und noch mehr Geschichten hinter den Geschichten erzählt. Es geht um Wurzeln und unsere Wirklichkeit heute. Also zum Beispiel die Geschichte von Barbados, von dem Leidensweg meiner Vorfahren, die versklavt wurden und auch, wie der Rassismus, der damals festgesetzt wurde, sich heute mit neuen Gesichtern fortgesetzt. Oder es geht um die Wurzeln von Patrick und wie Geheimnisse aus der Zeit des Nationalsozialismus in ihrer Familiengeschichte verborgen und verschwiegen wurden und so heute lebendig bleiben können. Also, das Buch war ein Wachstumsprozess, der unsere Geschichten, aber auch die Stärken des Liederschreibens und Singens zusammengebracht hat mit den Geschichten, die Patrick mehr als nur liest. Er macht sie lebendig. Diese Abende bewegen uns immer wieder, weil sie Menschen bewegen. 

Gelegentlich, so im Frühjahr beim ev. Kirchentag in Hannover oder auch beim regionalen Kirchentag in Wuppertal-Vohwinkel, tretet ihr mit euerm Sohn Noah Tendai auf, der dann ein eigenes und stilistisch ganz anderes HipHop Programm spielt, für ein deutlich jüngeres Zielpublikum. Will Noah tiefer in die Musikszene eintauchen oder ist das eher eine typische Nebenerscheinung, wenn man in einer Musikerfamilie aufwächst?  

Judy: Wir haben drei Jungs und alle machen Musik. Jeder auf seine Art. Sicher war bei uns der Raum da, das zu machen. Klar haben wir Musik auch ermutigt, aber jeder geht seinen ganz eigenen Weg. Das ist wirklich wunderbar. Jacob, der Jüngste, hat eigentlich mit Klavier angefangen, dann Saxophon. Aber im Moment liebt er sein Cello und die Klassik. Levi, der Älteste mochte schon immer Rhythmus, ist aber mehr zur Gitarre gewechselt und vor allem in der Produktion aufgegangen. Er hat ein tiefes Verständnis für Musik und die Idee dahinter. 

Immer wieder arbeitet er mit etlichen Projekten und Bands mit vielen neuen Ideen, wenn er neben seinem Psychologiestudium Zeit dafür findet. Noah, der Mittlere, ist gerade für ein Freiwilliges Soziales Jahr in Ghana. Bald hat er schon das erste Halbjahr hinter sich. Er spielt Bass und hat vor allem Rap für sich entdeckt. Er investiert viel Zeit in Texte. Freunde und auch Levi selber investieren gemeinsam viel Energie in seine Beats und treten gemeinsam immer mehr auf. Er könnte sich gut vorstellen, dass die Musik auch Beruf wird, aber er ist gerade 18 und geht Schritt für Schritt. Alle haben hier und da schon bei Konzerten und Auftritten mitgewirkt und das ist für uns alles andere als selbstverständlich. Und immer wieder eine besondere Freude, wenn es mal dazu kommt. Sehr gerne sind wir aber auch, wenn wir mal dürfen, als Fans dabei, wenn sie mit Bands, einem Rap-Konzert oder dem Jugendorchester auftreten.

Mehr über Judy

Fotos: Patrick Depuhl

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