50 Jahre christliche Konzerte
Manchmal ziehen kleine Konzerte ganz schön große Kreise: Als die Band Skillet zur Christmas Rock Night 2011 zum dritten Mal nach Deutschland kam, lies ein Besucher auf der Hörsaal-Empore seine Handy-Kamera mitlaufen und filmte das 70-minütige Konzert mit den mehr oder weniger bescheidenen Möglichkeiten, die ein einzelner Fan hatte. Ohne Nachbearbeitung stellte er das Video auf YouTube ein: Es wurde bislang 323.500 Mal aufgerufen. Neben den gut tausend Besuchern, die damals im Saal waren, schauten sich also bislang weitere 322.000 das Konzert an. Und Jahr für Jahr kommen ein paar hundert Leute dazu.
Ein Blick zurück auf die Geburtsstunde der Christmas Rock Night (CRN). 1976 fuhren ein paar junge Leute des damaligen „Treff um Acht“ zum ersten Christival in die Essener Gruga. Sie hörten dort Bands wie zum Beispiel Liberation Suite aus den USA und witzig-freche Interpreten wie Arno & Andreas. Sie waren begeistert von der mitreißenden Aufbruchstimmung, die im Anschluss an die Jesus Bewegung der USA nach Europa schwappte (das Time Magazine titelte damals „Jesus Revolution“): Zeitgemäße populäre Musik mit christlichen Texten. Junge Leute, die ein ganz neues Selbstbewusstsein und Wir-Gefühl als Christen ausstrahlten. Es wirkte wie ein Generationswechsel. Die Musik fühlte sich mit modernen Arrangements, E-Gitarren und Saxofon so ganz anders, entstaubter und moderner an. Zukunftsweisend, Türen öffnend vor allem für Leute, die mehr Probleme mit der Ästhetik als mit dem Inhalt des Christseins hatten.
Sie nahmen die Begeisterung mit zurück nach Ennepetal: Ob man vielleicht ein paar dieser faszinierenden Künstler nach Rüggeberg holen könnte? Um Leute einzuladen aus der Klasse oder dem Freundeskreis, die sonst nicht in eine Kirche gehen würden? In Zeiten weit vor Internet und YouTube schickte man einen Brief an Andreas Malessa, dem damaligen Musikredakteur beim Punkt (später: dran), ob der ein paar Tipps habe. Kommentarlos schickte der eine Liste zurück, auf der ein paar Namen angekreuzt waren: Semaja, Eden, ProMe, theophiles, Arno & Andreas. Mit ProMe aus Marburg begann dann eine Reihe von Konzerten im Vereinshaus im Nottloher Weg, eben mit genau diesen vorgeschlagenen Bands, und vielen anderen wie Augenblicke, Nicodemus, Trinitatis, Pieces/Face to Face, Eternity und Cheerful Message, ebenso wie mit einigen Liedermachern.
Der Start der CRN: Umzug ins Haus Ennepetal 1980
Anders als manchmal berichtet gab es keine Christmas Rock Night im Vereinshaus. Die startete erst im Dezember 1980 im kurz vorher erbauten Haus Ennepetal mit Semaja und zwei regionalen Vorbands, Nicodemus (später: Heaven Bound) aus Gevelsberg und Zeitenwende (später: Ring) aus Hohenlimburg. 40 Jahre lang gab es fortan alljährlich das vorweihnachtliche Rockfestival, nach dem zehnjährigen Jubiläum 1990 sogar immer zweitägig, und lange Jahre begleitet von einem eigenen Gottesdienst. Es gelang, die Musiklabel Pila und Asaph (und später Gerth) ebenso wie die kleine Musikzeitschrift Pack’s! für die Veranstaltung zu gewinnen und über diese Medien wurde die CRN schnell bundesweit ein Begriff.
Über viele Jahre setzte die CRN immer wieder durch die Auswahl der Künstler Akzente. Bands aus dem White Metal waren in den frühen Jahren Gesprächsthema. Im Anschluss an die mtv Unplugged-Welle spielten Bands auch auf der CRN stromlos (grandios: Tourniquet). Der Freitag war ursprünglich ein reiner Unplugged-Tag. In den ersten Jahren gab es kaum Frauen auf der Bühne, das änderte sich 2000 ganz bewusst. Alternative Bands wie Fallstar, House of Heroes, The Violet Burning oder Prayer Chain waren eine weitere gern eingeladene Stilart. Bevor die Worship-Welle richtig losging, spielten delirous? hier zwei grandiose Konzerte. Als Metalcore populär wurde, brachte auch die CRN zahlreiche harte Bands wie Phinehas, Fit For A King, Haste The Day, Sleeping Giant und Wolves At The Gate erstmals auf die CRN Bühne.
Im Hintergrund des Festivals fanden sich Leute mit ganz unterschiedlichem Background, die ihre Talente und Möglichkeiten konstruktiv in die Veranstaltung einbrachten, ohne zum CVJM Kreis zu gehören. Layouter, Drucker, Fahrer, Techniker, PA Verleiher, Videografen, Fotografen, Social Media Influencer, Helfer jeder Art, einige kamen von den Jesus Freaks, andere von Freikirchen. Ein ganz entscheidender Punkt, denn von dieser bunt zusammengewürfelten Truppe lebte die CRN.
Vier Live-CDs entstanden auf der CRN. Fünf Minuten Programm wurden von einem Ü-Wagen des WDR aufgenommen und live in der Aktuellen Stunde des WDR Dortmund gesendet. Rockpalast Redakteur Christian Wagner war hier vor Ort. Eine Aufzeichnung für den Rockpalast scheiterte daran, dass die Bühne für das benötigte Licht nicht hoch genug war. Die Zeitschrift „Rock Hard“ berichtete über sechs Seiten von dem ungewöhnlichen Festival.
Debütanten von der anderen Seite des Atlantiks
Für viele der auftretenden Bands aus dem USA war die CRN ein besonderes Erlebnis: Viele gaben hier ihr erstes Konzert in Europa überhaupt, so zum Beispiel auch einige der ganz Großen wie P.O.D., Skillet, Pillar, Disciple, RED, Thousand Foot Krutch, Silent Planet oder Fit For A King. Das Kommen war verbunden mit großem Vertrauen in ein kleines, schwer einschätzbares Festival weit weg in der deutschen Provinz. Mit einem CVJM dahinter, der in den USA ein anderes Programm macht als wir hier.
Für Bands war das CRN Publikum immer etwas ganz Besonderes. Viele, so beispielsweise auch Sammy Horner, berichteten, wie überrascht sie waren, dass das Publikum ihnen so intensiv zuhörte, viele Songs schon kannte und Refrains mitsingen konnte. Keine Berieselung, kein Hin- und Herlaufen im Saal, sondern eine konzentrierte, bewusste und gewollte Auseinandersetzung mit der Kunst und dem Künstler.
Die Liste der Interpreten, die irgendwann einmal oder in der Regel meist mehrfach auf der Haus Ennepetal Bühne standen, umfasst weit über 100 Namen, einige unten im Anhang. Larry Norman, der 2008 verstarb, war einer der großen, wegweisenden Künstler. Zweimal war er hier zu Gast. Sein Song „Why Should the Devil have all the Good Music?” hätte auch als Motto des Festivals sein können. In dem Lied singt er darüber, dass Rock’n Roll seine Ursprünge in der christlichen Musik hat, nämlich im Gospel. Und: Jesus is the Rock. Der Fels, auf den die Musik gebaut ist.
Unter den vielen Bands aus Europa wie etwa delirious?, Iona, HB, Narnia, LZ7 oder October Light zeichnen sich zwei eher kleine Gruppen aus, die besondere Publikumslieblinge wurden: The Electrics und Split Level. Beide waren mehr als ein Dutzend Mal hier, beide auf der Weltbühne weit kleiner als manche andere Band, aber in den Herzen der Besucher ganz weit oben. Beide machten sich auch im Hintergrund stark für das Festival stark und wurden im Gegenzug belohnt: Sie erhielten über ihre CRN Auftritte Label-Verträge bei Pila. Die Electrics sogar zusätzlich in den USA bei Five-Minute-Walk, als deren Chef Frank Tate mit einer seiner Ska-Bands hier war und sie kennenlernte. Der Split Level Song „Holy Fire“ wurde einer der ganz großen Festival-Hits. Radio-Moderator Klaus Depta schrieb 1999, nach einigen Jahren CRN Besuch, ein Buch unter eben dem Titel „Holy Fire“ über diesen und andere Songs, als Anregung für den Religions- und Konfirmandenunterricht.
Die vielen anderen Konzerte neben der CRN
Neben der Chrismas Rock Night gab es viele weitere Konzerte, vier Ausgaben des Legends of Rock, ein Petra Einzelkonzert, ein Sommerkonzert nach Flevo mit Whitecross und Rick Elias, einen Abend mit Siegfried Fietz und das Arno & Andreas Festival, bei dem Dieter Falk, der damals mit Rolf Sprave auf der Bühne stand, die beiden Liedermacher Arno & Andreas kennenlernte und sich daraus eine langjährige Zusammenarbeit anbahnte. Lothar Kosse und NimmZwei waren im Haus Ennepetal beim Kluti 2004, und unter dem Namen „Pink Flower“ gab es ein Pfingstkonzert mit Gospelsänger Jessy Dixon, das leider besuchermäßig floppte. Ferner gab es ein Switchfoot Tournee-Konzert im Industriemuseum. Und wir waren mit DC Talk und Whiteheart in der Reichenbach-Aula, dort auch mit Schulze und Ararat, und auch 2010 mit Andrea und Albert Frey.
Auf die lange Liste der Rüggeberger Konzerte gehören ferner die beiden Scheunenfeste auf dem Bauernhof von Dirk Kalthaus mit Paul Colman, Make Up Your Mind und Judy Bailey. Und auch das best besuchte Konzert im Vereinshaus am Nottloher Weg: Es war keine Band, Manfred Siebald hält den bis heute ungebrochenen Rekord mit über 220 Besuchern im Vereinshaus.
„Your Music Makes A Difference“ lautet ein alter Pila-Werbeslogan. Die Musik, die man hört, bewirke einen Unterschied. Zwischen 70.000 und 100.000 Menschen sind in den 50 Jahren zu einem der Konzerte nach Ennepetal gekommen, in den meisten Fällen sogar mehrfach. Es gibt unzählige Rückmeldungen, wie wichtig Besuchern ein Song, ein Konzert oder ein Gespräch mit einem Künstler gewesen ist. Gerade auch die One More Song Retro-Festivals 2023 und 2024 machten in vielen Gesprächen deutlich: Das war nicht bloß verstaubter Zeitgeist, flüchtige Mode, längst vergessene Musik. Die Besucher berichten uns bis heute, wie viele von ihnen von der Begegnung mit dieser Musik geprägt sind. So stilistisch vielfältig sie war, ob schön, laut, krass, provozierend, anders als der Mainstream – sie war immer intendiert, über den christlichen Glauben und ein Leben mit Jesus nachzudenken. Es war der „Rock that doesn’t Roll“, um noch einmal Larry Norman zu zitieren: Jesus ist der Fels, auf dem die CRN gebaut ist.




















Die CRN Bands aus den USA
- Wolves At The Gate
- Seventh Day Slumber
- Oh Sleeper, Random Hero
- Comrades, Amongst The Giants
- Zahna
- Set For The Fall
- Disciple
- RED
- Phinehas
- Fireflight
- Eric Clayton
- Silent Plane
- Death Therapy
- Chilldren 18:3
- Attalus
- Fit For A King
- Darkness Divided
- Veridia
- Sleeping Giant
- The Letter Black
- The Ongoing Concept
- Theocracy
- Fallstar
- Manafest
- Bloodgood
- Project 86
- Flatfoot 56
- Remedy Drive
- Spoken
- Dime Store Prophets
- Thousand Foot Krutch
- For Today
- Icon For Hire
- I Am Empire
- Skillet
- Hawk Nelson
- Stellar Kart
- House of Heroes
- Kutless
- Decyfer Down
- Ivoryline
- Glen Kaiser
- Haste The Day
- Showbread
- Manic Drive
- Maylene and the Sons of Disaster
- Abandon
- Day of Fire
- Everyday Sunday
- Future of Forestry
- Breaking the Silence
- Pillar
- Tree 63
- Tourniquet
- Building 429
- Kids in the Way,
- Petra
- Paul Colman
- Roper
- Krystal Myers
- The OC Supertones
- Rock´n Roll Worship Circus
- Jeff Deyo
- Sanctus Real
- East West
- Mute Math
- The Prayer Chain
- Whiteheart
- Idle Cure
- The Violet Burning
- Rick Elias
- Bleach
- Saviour Machine
- Five Iron Frenzy
- The W’s
- The Insyderz
- Whitecross
- Bride
- Grammatrain
- Shout
- Resurrection Band
- u.v.m.